Fahrt in die „Alte Heimat“ vom 5. bis 11. September 2019
In der Zeit vom 5. – 11. September 2019 nahm ich zum wiederholten Male teil an einer Fahrt in die „Alte Heimat“. Die alte Heimat ist Schrotz-Abbau in Kreis Deutsch Krone. Meinen Eltern gehörte dort eine Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Saatkartoffel-Vermehrung.
Veranstalter war das Heimatwerk der Katholiken aus der Freien Prälatur Schneidemühl mit Sitz in Fulda. Die Fahrt startete am Donnerstag, 5.09.2019, ab Köln. Über weitere Zusteige-Orte fuhren wir an Berlin vorbei nach Frankfurt/Oder. Von dort erreichten wir Schneidemühl / Pila mit dem Hotel „Gromada“.
Der nächste Tag, 6.09.2019, stand direkt zur freien Verfügung der Teilnehmer. Jeder unternahm individuell Fahrten zu seinem ganz besonderen Heimatort oder suchte in Schneidemühl Straßen und Wohnungen seiner früheren Heimat auf. Ich fuhr mit dem Taxi bis zum ehemaligen Gut Ulrichsfelde / Pluty in Schrotz. Der Hof meiner Eltern war nebenan. Da die Gebäude weithin verschwunden sind, streifte ich bei sonnigem Wetter über das Hofgelände und die Äcker. Vor Ort hatte sich nichts verändert. Nur der kleine Bruch unterhalb der ehemaligen Deputatshäuser war entschlammt worden und vermutlich für Angler vorbereitet. Als Kinder sind wir gern mit dem Schlitten den kleinen Hang bis auf dem zugefrorenen Teich hinuntergefahren. In der Erinnerung war es ein riesiger Hang, obwohl der Höhenunterschied nur 2 – 3 Meter beträgt.
Auf altem Weg marschierte ich in Richtung des Dorfes Schrotz. Dort besuchte ich den am Wege liegenden Friedhof. Der Friedhof wächst mit vielen Gräbern polnischer Einwohner. Dabei verkleinert sich der Teil, der einmal von den Deutschen belegt war. Aus deutscher Zeit ist kaum etwas vorhanden. Unter teilweise wildem Bewuchs erkennt man noch einige Grabränder. Alles übrige ist verschwunden.
Die Perle von Schrotz ist die schöne Kirche St. Maria Himmelfahrt und das neu entstandene umfangreiche Pilgerzentrum mit Pfarrhaus, Gästezimmern, Speisesaal, Shop und Kapellen. Die mehr als dreihundert Jahre alte Wallfahrtskirche im italienischen Jesuiten-Barock ist ein Schmuckstück. Es wurde in den vergangenen Jahren einschließlich der Orgel gründlich renoviert. Das Ziel der zahlreichen Wallfahrer ist der Besuch des Schrotzer Gnadenbildes. Seit dem 16. Jahrhundert wird die Pieta von Deutschen und von Polen verehrt.
Für Großveranstaltungen ist hinter der Kirche ein Außen-Altar aufgestellt. Wege führen mit einem Kreuzweg bzw. Rosenkranz-Stelen zum Gipfel mit einem großen Kreuz. Unter dem Kreuz wurde eine Quelle erschlossen. In sieben Strömen schlängelt sich Wasser zu einer Sammelstelle, die das Wasser in einen nahegelegenen Bruch leitet.
Mein Interesse galt jedoch der Kapelle links vom Gipfelkreuz. Mit Hilfe des Heimatwerks wurde sie zur Erinnerung an die ehemalige Freie Prälatur Schneidemühl erbaut und 2017 eingeweiht. Ich meine, dass die Kapelle gelungen ist und einen guten Eindruck hinterlässt. Das Bauwerk ist in etwa der Schrotzer Wallfahrtskirche nachempfunden. Der Innenraum enthält den Altar, ein großes Wandkreuz, sowie Bilder der Patrone, Johannes der Täufer, und Johannes, der Evangelist. Gedenktafeln weisen auf die Oberhirten der Freien Prälatur der Vor- und Nachkriegszeit hin. Weiterhin nennt eine Tafel deutsche und polnischer Spender zum Aufbau der Kapelle. Letztlich beschreibt ein Aushang in Deutsch und Polnisch die Geschichte der Freien Prälatur. Der Raum bietet auch noch Platz zum Aufstellen einiger Sitzgelegenheiten. Die Kapelle ist mit einer Tür und einem Gitter davor verschlossen. Wer die Kapelle besichtigen möchte, kann den Schlüssel im Schrotzer Pfarrbüro abholen.
Abschließend noch eine kleine Episode. Für die Rückkehr nach Schneidemühl / Pila hatte ich das Taxi nachmittags vor die Kirche bestellt. Gerade als ich dort meinen Besuch beenden wollte, erschien kurz vor der vereinbarten Zeit ein Taxi und die Fahrerin war gerne bereit, mich nach Schneidemühl zu bringen. Am nächsten Tag gab es eine Beschwerde im Hotel Gromada, dass eine Person für Schrotz / Skrzatusz ein Taxi bestellt habe und nicht erschienen sei. Hier haben wohl die Gelegenheit und Verständigungsschwierigkeiten dem beauftragten Taxifahrer Ärger bereitet.
Reisegruppe vor der Schrotzer Kirche |
Der nachfolgende Sonntag, 7.09.2019, war unser offizieller Besuchstag in Schrotz / Skrzatusz. In der Kirche hatten wir eine hl. Messe mit unserem Geistlichen, Herrn Pfarrer Bernhard Klatt, und einem örtlichen Geistlichen. Danach gab es im Pilgerzentrum ein Mittagessen für alle Besucher. Ehe wir die Kapelle aufsuchen konnten, waren wir noch zu einem Konzert in die Kirche eingeladen. Danach zogen wir in Prozession den Kreuzberg hinauf zu unserer Kapelle. Es war ein bewegendes Geschehen als wir dort eine kleine Andacht halten konnten. Den Altar schmückt jetzt eine Marien-Ikone mit dem Jesuskind. Mögen noch oft ehemalige Bewohner der Freien Prälatur und ihre Nachkommen das Haus besuchen und Gott um Frieden bitten.
Der Schrotzer Besuch endete mit einem Kaffeetrinken im neuen Pilgerzentrum.
Der nächste Tag war Sonntag, 8.09.2019. In Schneidemühl fand ein internationaler Halb-Marathon statt. Da die Straßen der Stadt weitgehend gesperrt wurden, mussten wir uns früh auf den Weg nach Tütz machen. Wegen der frühen Zeit besuchten wir zuerst auf dem Tützer Friedhof das Grab des ersten Oberhirten der späteren Freien Prälatur, Dr. Robert Weimann. Daneben liegt auch der sehr verehrte Tützer Propst Paul Gramse begraben. Dann war es Zeit für die örtliche Sonntagsmesse in der schönen Tützer Kirche. Nachher stärkten wir uns im Tützer Schloss. Das Schloss hat eine lange deutsche Tradition mit der Adelsfamilie von Wedel, die dort seit dem Jahre 1338 siedelte.
Bei jeder Gelegenheit fahren Besucher aus der Prälatur auch zum Friedhof von Knakendorf. Dort sind die Gräber vom Propst Erich Steinke sowie ein Massengrab von elf erschossenen Männern aus Knakendorf. Kurz nach dem Einmarsch der Russen sollten die verbliebenen Männer zu einem Arbeitseinsatz in der Nachbarschaft marschieren. Einige wurden dort freigelassen. Auf dem Weg nach Hause wurden diese zwölf Personen auf einem Feld erschossen. Man fand sie erst nach Tagen. Heute ruhen sie auf dem Knakendorfer Friedhof. Die Gräber werden von einer Polin unentgeltlich gepflegt. Wir sprachen der lieben Frau unseren Dank aus.
Über Deutsch Krone / Walcz fuhr unser Bus nach Freudenfier. Leider war die St. Jakobus-Kirche geschlossen. Aber wir konnten das idyllische Außengelände u. a. mit dem Gedenkstein der Freunde Freudenfiers mit polnischer und deutscher Beschriftung erkunden. Anschließend gab es noch eine Überraschung. Der Bus fuhr uns nach Sagemühl zu einem Erholungsheim an dem Lebehnker See. Vor Jahrzehnten hatte eine Prälatur-Gruppe dort übernachtet und in sehr guter Erinnerung behalten. Jetzt war das Haus, das von der Caritas geführt wird, geschlossen.
Am Montag, 9.09.2019, folgte nachmittags die Übersiedlung der Gruppe nach Schwerin a. d. Warthe / Skwierzyna. Vorher konnte jeder noch Erinnerungen an Schneidemühl auffrischen. In Schwerin wohnten wir im Hotel „Strandschlösschen“, heute „Dom nad Rzeka“ am Ufer der Warthe. Am Dienstag, 10.09.2019, hatten wir vormittags Zeit, Schwerin anzuschauen. Interessant ist das Rathaus von 1841. Außerdem ging ich an der ehem. katholischen Kirche und der ehem. evangelischen Kirche vorbei, die leider beide geschlossen waren. Einen guten Eindruck vermittelten auch einige Wohngebiete mit gepflegter Umgebung.
Der Schwerpunkt dieses Tages war die kurze Fahrt nach Rokitten / Rokitno zum Besuch der Wallfahrtskirche. Die Kirche war und ist sowohl bei den früheren deutschen Einwohnern als auch bei den Polen sehr stark verankert. Während der Zeit der Freien Prälatur Schneidemühl war Rokitten neben Schrotz der zweite Wallfahrtsort, zu dem Deutsche und Polen gerne wallfahrten. Anschließend besuchten wir noch ein weiteres Juwel des Lebuser Landes, nämlich das Kloster Paradies. Es entstand aufgrund einer polnischen Schenkung von 1230 und der Besiedlung durch Zisterzienser aus dem brandenburgischen Lehnin. Die Zisterzienser entwickelten das Land sehr erfolgreich. Später übernahmen polnische Adlige die Leitung. Nach den polnischen Teilungen hatte Preußen die Herrschaft über das Land. Nach seiner Schließung diente das Kloster verschiedenen Zwecken. Heute ist in den schönen Gebäuden und der wunderbaren Barockkirche das Priesterseminar des Bistums Jelona Gora / Grünberg untergebracht.
Am Mittwoch, 11.09.2019, hieß es Abschied nehmen und die Fahrt nach Hause anzutreten.
Obwohl ich die Orte bereits mehrfach besuchte, fahre ich immer wieder gern zu den Stätten meiner Heimat. Vielleicht ergibt sich mal wieder eine Gelegenheit zum Auffrischen der Erinnerung.
Ulrich Friske
Asternweg 22
40468 Düsseldorf
früher: Schrotz
email: ulrich.friske@mail.isis.de