Beutelwurst und Hasenbrot in Freudenfier
Eine ganz besondere Spezialität in Freudenfier im Kreis Deutsch Krone war die Beutelwurst. Nur in wenigen Dörfern um Freudenfier kannte man diese Beutelwurst. Zuerst wurden Beutel genäht, 40 Zentimeter lang mit einem Durchmesser von sieben bis zehn Zentimetern. Dann wurden fünf Pfund Kartoffeln geschält und zusammen mit einer Zwiebel in eine große Schüssel gerieben. Inzwischen wurde ½ Pfund Reis oder feine Graupen im Wasser weichgekocht und heiß in die geriebenen Kartoffeln gegeben, dazu etwas Salz, Pfeffer und Bohnen- oder Pfefferkraut. Dann wurde die Masse in die Beutel eingefüllt und zugebunden. Diese Beutel wurden in kochendes Wasser gelegt, in das etwas Salz gestreut wurde, und dann 1 ½ Stunden gekocht. Die heißen Beutel wurden dann in kaltes Wasser getaucht und die Masse heraus-gedrückt. Wenn diese Masse erkaltet war, wurde sie in Scheiben geschnitten und in einer Pfanne in Schmalz oder Butter auf beiden Seiten schön knusprig gebraten. Zur Beutelwurst wurde dann eine Butterstulle gegessen und eine Tasse Kaffee getrunken.
Ich erinnere mich, dass ich zum 80. Geburtstag meiner Mutter Klara Falkenberg (1906-1989) am 15. Mai 1986 in die DDR nach Stechau im Kreis Herzberg/Elster fuhr. Dorthin kam auch Muttis Bruder Paul Lüdke (1903-1993). Nach den Geburtstagsfeierlichkeiten fuhren mein Onkel Paul und ich in unsere alte Heimat nach Freudenfier, welches nun Szwecja heißt. Dort feierten wir auch den Pfingstgottesdienst in unserer Jakobuskirche. Mit Hilfe einer Dolmetscherin besuchten wir auch das Bauerngehöft von meinem Onkel und mein Elternhaus. Nach der Rückkehr aus Polen erwartete uns eine Überraschung. Mutti hatte für uns Beutelwurst gemacht. Zusammen mit einem Butterbrot und einer Tasse Kaffee war dies wirklich eine Gaumenschmaus.
Auch im heutigen Szwecja kennt man die Beutelwurst. Auf Polnisch heißt sie „Kiszka szwedzka“, ins Deutsche übersetzt Kartoffelwurst. Jedes Jahr im Juni findet in Szwecja das Swietojanki-Festival statt, wo es diese Kiszka szwedzka gibt. Die Zusammensetzung ist ähnlich wie bei der deutschen Beutelwurst, nämlich: Kartoffeln, rohen oder geräuchertem Speck, Zwiebeln, Grieß, Eiern und Gewürze. Am 6. März 2012 wurde „Kiszka szwedzka“ in die Liste der traditionellen Produkte des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Polen aufgenommen. Kiszka darf nur in der Gemeinde Walcz (Deutsch Krone), zu der Szwecja (Freudenfier) gehört, hergestellt werden. In Szwecja (Freudenfier) gehört nun zur Tradition auch die „Johannesnacht“ (Szwedzkie Wianki), wo Blumenkränze ins Wasser, hier in die Pilow (Pilawa), geworfen werden.
Gern erinnere ich mich an das Hasenbrot, welches es in Freudenfier gab. Wenn unsere Mutti Klara Falkenberg in der Erntezeit auf dem Feld bei ihrem Bruder Paul Lüdke aushalf, dann wurden wir von unserer Oma Anna Falkenberg (1867-1965) betreut. Mein jüngerer Bruder Heinz und ich, wir freuten uns schon den ganzen Tag immer auf das Hasenbrot, welches unsere Mutti von dort mitbrachte. Diese Brote waren dann schon durch die Wärme ganz schön getrocknet und vom Belag war auch nicht mehr viel übrig. Trotzdem schmeckten sie uns Kinder immer sehr gut, es war eben Hasenbrot. Dieses hatten die Hasen auf dem Felde unserer Mutti für uns mitgegeben.
Manfred Falkenberg